Mit Hilfe der regelmäßigen Studierendenbefragungen (Sozialerhebungen) kann die wirtschaftliche und soziale Lage – auch der Hamburger Studierendenschaft – abgebildet werden (Kroher et al., 2023; Middendorff et al., 2017).
Die Selbstauskünfte der Studierenden mit Beeinträchtigung, die in zusätzlichen Berichten (best 1 – best 3) zusammengestellt sind, ermöglichen einen detaillierten Blick auf ihre Situation (Institut für Höhere Studien [IHS] et al., 2012; Poskowsky et al., 2018; Steinkühler et al., 2023). Insgesamt lässt sich sagen, dass die Gruppe der Studierenden mit Beeinträchtigung bzw. Behinderung äußerst heterogen ist, so dass unterschiedliche Bedürfnisse relevant sind.
Studierende mit Beeinträchtigung oder Studierende mit Behinderung: wie soll man denn nun sagen!?
Mit den gesetzlichen Neuerungen, wie der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), geht auch ein verändertes Verständnis der Begrifflichkeiten ‚Behinderung‘ und ‚Beeinträchtigung‘ einher. Nach § 2 Abs. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) IX n. F. sind Menschen mit Behinderungen „Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sich in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können“. Demzufolge wird Behinderung nicht als persönliche Eigenschaft eines Menschen angesehen. Vielmehr sind die Menschen (hier: Studierende) durch ungünstige Bedingungen/Barrieren an der chancengleichen Teilhabe an hochschulischen (Bildungs-)Angeboten ausgeschlossen (z.B. durch nicht barrierefrei erreichbare Seminarräume, den fehlenden Zugang zu barrierefreier Fachliteratur, fehlende Beratungsmöglichkeiten etc.). In der Hochschule hat sich der Begriff „Studierende mit Beeinträchtigungen“ durchgesetzt, da auch viele Studierende betroffen sind, die sich nicht zur Gruppe der Menschen mit Behinderungen zählen.
Das Video „Studierende mit Beeinträchtigung in Hamburg: Wie können Sie im ersten Schritt unterstützen?“ stellt die Gruppe kompakt vor, und gibt Ihnen erste Hinweise, was Sie tun können. Das Video zu „Studierenden mit Beeinträchtigung“ ist auch in deutscher Gebärdensprache verfügbar.
Studierende mit Beeinträchtigungen: wer gehört genau dazu?
Wie sich die Gruppierung zusammensetzt, kann man den Daten der Studierendenbefragungen (Sozialerhebungen) entnehmen. Demnach ist die Gruppe der Studierenden mit einer Beeinträchtigung, die sich studienerschwerend auswirkt, in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen. In der 22. Sozialerhebung (2023), die sich auf Angaben von Studierenden aus dem Sommersemester 2021 bezieht, gaben knapp 24 % aller Studierenden an gesundheitlich beeinträchtigt zu sein. Bei ca. 16 % aller Studierenden ergeben sich durch das Zusammenwirken der Beeinträchtigung und den Strukturen an der Hochschule Nachteile im Studium (2018: 11 %).
Zusätzlich wurden diese Studierenden zu ihren Beeinträchtigungsformen befragt. In der Regel sind diese Daten auf die Situation der Studierenden am Hamburger Hochschulstandort übertragbar.
Im Gegensatz zum arbeitsrechtlichen Kontext sind bei Studierenden mit Beeinträchtigung die tatsächlich entstehenden Nachteile relevant. Eine amtlich festgestellte (Schwer-)behinderung ist nicht relevant.
Studierende mit Beeinträchtigungen: sichtbar oder unsichtbar?
Die überwiegende Mehrheit der Beeinträchtigungen ist auf den ersten Blick nicht sichtbar (97%). Bei vielen Studierenden ist auch nach längerer Zeit keine Beeinträchtigung für Außenstehende erkennbar (56%). Dazu gehören z. B. viele Studierende mit psychischen Beeinträchtigungen, chronisch-somatischen Erkrankungen und Teilleistungsstörungen.
Auch, wenn Sie vermuten, dass in Ihren Lehrveranstaltungen keine Studierenden mit spezifischen Bedarfen sind, ist statistisch davon auszugehen, dass Studierende mit Beeinträchtigung dabei sind, die ggf. auf Barrieren stoßen. Keinesfalls sollen Sie nun aktiv auf die Suche gehen. Vielmehr sollten Sie darauf vorbereitet sein, dass Sie die Studierenden bestmöglich unterstützen können.
Literatur
Institut für Höhere Studien, Unger, M., Wejwar, P., Zaussinger, S. & Laimer, A. (2012). beeinträchtigt studieren: Datenerhebung zur Situation Studierender mit Behinderung und chronischer Krankheit 2011. https://www.uni-wuerzburg.de/fileadmin/39030000/ZiLS/best2011/DSW_best2011_Projektbericht_2012.pdf
Kroher, M., Beuße, M., Isleib, S., Becker, K., Ehrhardt, M.‑C., Gerdes, F., Koopmann, J., Schommer, T., Schwabe, U., Steinkühler, J., Völk, D., Peter, F. & Buchholz, S. (2023). Die Studierendenbefragung in Deutschland: 22. Sozialerhebung: Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2021. https://www.bmbf.de/SharedDocs/Publikationen/de/bmbf/4/31790_22_Sozialerhebung_2021.pdf?__blob=publicationFile&v=6
Middendorff, E., Apolinarski, B., Becker, K., Bornkessel, P., Brandt, T., Heißenberg, S. & Poskowsky, J. (2017). Die wirtschaftliche und soziale Lage der Studierenden in Deutschland 2016: 21. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks durchgeführt vom Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung. http://www.sozialerhebung.de/download/21/Soz21_hauptbericht.pdf
Poskowsky, J., Heißenberg, S., Zaussinger, S. & Brenner, J. (2018). beeinträchtigt studieren – best 2: Datenerhebung zur Situation Studierender mit Behinderung und chronischer Krankheit 2016/2017. https://www.studentenwerke.de/sites/default/files/beeintraechtigt_studieren_2016_barrierefrei.pdf
Steinkühler, J., Beuße, M., Kroher, M., Gerdes, F., Schwabe, U., Koopmann, J., Becker, K., Völk, D., Schommer, T., Ehrhardt, M.‑C., Isleib, S. & Buchholz, S. (2023). Die Studierendenbefragung in Deutschland: best 3: Studieren mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung. https://www.studierendenwerke.de/fileadmin/user_upload/Publikationen/beeintraechtigt_studieren_2021.pdf