Klärung
Studierende wenden sich häufig an Lehrende und fragen nach einer individuellen Anpassung von Lehrveranstaltungs- und insbesondere von Prüfungsbedingungen, z. B. mehr Zeit für die Bearbeitung von Übungsaufgaben, Klausuren oder Hausarbeiten. Solche Anpassungen werden als „Nachteilsausgleiche“ bezeichnet. Sie können bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen gewährt werden, um chancengleiche Lehrveranstaltungs- und Prüfungsbedingungen im Einzelfall herzustellen. Insbesondere für die individuelle Anpassung von Prüfungsbedingungen müssen Studierende in der Regel einen Antrag an den zuständigen Prüfungsausschuss stellen.
Grundlagen
Die Hochschulgesetze der Länder geben vor, dass in Prüfungsordnungen eine Regelung zum Nachteilsausgleich für Studierende mit Behinderungen verankert werden muss (siehe § 50 Abs 2 Nr. 15 HmbHG). Die staatlichen Hamburger Hochschulen setzen diese Vorgabe unterschiedlich um. Die konkrete Regelung finden Sie in den jeweiligen Prüfungsordnungen.
Zur Gruppe „Studierende mit Behinderungen“ zählen Studierende, die aufgrund einer langfristigen gesundheitlichen Beeinträchtigung einen Nachteil haben, wenn sie Leistungen unter den für alle vorgesehenen Bedingungen absolvieren müssen. Der rechtliche Begriff „Behinderung“ unterscheidet sich damit deutlich vom alltagssprachlichen Gebrauch. Nähere Informationen erhalten Sie durch das Erklärvideo zu Studierenden mit Beeinträchtigungen.
Der Nachteil muss in Bezug auf das jeweilige Lehrveranstaltungs- oder Prüfungsformat konkret dargelegt werden. Die nachfolgenden Tabellen geben einen Überblick über mögliche Nachteile:
Didaktische Aspekte
Nachteilsausgleich nicht oder nur zum Teil möglich
Prüfungsbedingungen |
Beispiele für problematische Ausprägungen im Einzelfall |
---|---|
Lehrstoff, Prüfungsgegenstände |
Kein Nachteilsausgleich möglich! |
Prüfungs- und Aufgabenformate |
Fehlende Struktur von Aufgaben, angstbesetztes Format, Aufgabe erfordert zwingend gutes Hör- oder Sehvermögen |
Technische Aspekte
Nachteilsausgleich in der Regel möglich
Prüfungsbedingungen |
Beispiele für problematische Ausprägungen im Einzelfall |
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Insbesondere Prüfungssoftware, Prüfungsdokumente, Hilfsmittel |
Software nicht selbständig bedienbar, Prüfungsdokumente nicht lesbar |
Organisatorische Aspekte
Nachteilsausgleich in der Regel möglich
Prüfungsbedingungen |
Beispiele für problematische Ausprägungen im Einzelfall |
---|---|
Örtlich-räumliche Bedingungen |
Raum nicht barrierefrei zugänglich, keine Toilette für Menschen mit Behinderungen vorhanden, Beleuchtung zu schwach, kein Blendungsschutz, schlechte Akustik, Tisch nicht unterfahrbar |
Zeitliche Bedingungen |
Zeitmehrbedarf bei Klausur, mehrere Toilettenpausen notwendig, Prüfungsbeginn zu früh oder zu spät |
Sozialform |
Hörverstehen bei mündlichen Gruppenprüfungen kaum möglich, Gruppenarbeit nur mit bekannten Personen durchführbar |
Dienstleistungen |
Bedarf an Vorleseassistenz oder Gebärdensprachdolmetschenden |
Vorhandene Nachteile können allerdings nur dann ausgeglichen werden, wenn der Prüfungszweck dem nicht zwingend entgegensteht. Zur Ermittlung des Prüfungszwecks können die jeweilige Prüfungsordnung und die Modulbeschreibungen herangezogen werden.
Mit Maßnahmen des Nachteilsausgleichs können dann Lehrveranstaltungs- und Prüfungsbedingungen so angepasst werden, dass chancengleiche Bedingungen im Einzelfall entstehen. Dabei soll die Chancengleichheit anderer Studierende gewahrt bleiben. Daher darf die Bewertung von Leistungen nicht individuell angepasst werden. Für den Ersatz eines Prüfungsformats durch ein anderes Format gibt es enge Grenzen. Zunächst muss geprüft werden, ob das vorgesehene Format so angepasst werden kann, dass Nachteile ausgeglichen werden, Nur wenn das nicht möglich ist, kommt ein Ersatz durch ein gleichwertiges Format in Betracht. Im Folgenden sind einige typische Maßnahmen des Nachteilsausgleichs aufgelistet:
- Verlängerung der Bearbeitungszeit von Klausuren, Haus- und Abschlussarbeiten
- Bereitstellung eines eigene Bearbeitungsraums bei Klausuren
- Möglichkeit, Klausuren durch Erholungs- oder Bewegungspausen zu unterbrechen, die nicht auf die Bearbeitungszeit angerechnet werden
- Zulassung von Assistenz oder technischen Hilfsmitteln bei Klausuren
- Barrierefreie Gestaltung von Prüfungsdokumenten, so dass die Dokumente z. B. mit einem Screenreader gelesen werden können
- Verlegung von Prüfungen in zugängliche Räume
- Ersatz einer mündlichen Gruppenprüfung durch eine individuelle Prüfung
- Ersatz einer Präsentation durch einen Screencast
- Erhöhung der zulässigen Fehlzeitenquote bei Lehrveranstaltungen mit Anwesenheitspflicht
Das Verfahren „Nachteilsausgleich“ ist an den Hochschulen unterschiedlich gestaltet. Für die Anpassung von Prüfungsbedingungen müssen Studierende in der Regel ein Antrag an den zuständigen Prüfungsausschuss stellen. Häufig gibt es die Vorgabe, dass ein solcher Antrag schriftlich gestellt werden muss. Wenn die Prüfungsordnung keine Frist vorgibt, muss der Antrag „rechtzeitig“, gestellt werden. Dies bedeutet nach der Rechtsprechung circa 5-6 Wochen vor der jeweiligen Prüfung.
Der Antrag muss durch einen geeigneten Nachweis, z. B. eine ärztliche oder psychotherapeutische Stellungnahme glaubhaft gemacht werden. Der Nachweis kann jedoch nur Auskunft über medizinische Sachverhalte geben. Der Prüfungsausschuss muss dann einschätzen, ob die beantragten Maßnahmen angemessen sind und kann ggf. auch andere, als die beantragten Maßnahmen bewilligen.
Gut zu wissen
- Die Präsentation zum Nachteilsausgleich „Was sollten Lehrende zum Nachteilsausgleich wissen?“ gibt Ihnen einen knappen Überblick über das Instrument „Nachteilsausgleich“. Sie wurde für Lehrende der Universität Hamburg erstellt, enthält aber viele allgemeine Informationen.
- Ausführliche Informationen zum Thema „Nachteilsausgleich“ finden Sie in der Broschüre „Nachteilsausgleich für Studierende mit Beeinträchtigungen“ der Informations- und Beratungsstelle Studium und Behinderung. Die IBS ist das bundesweite Kompetenzzentrum zum Thema „Studieren mit Beeinträchtigungen“.
Gut zu tun
- Sie können davon ausgesehen, dass in jeder Lehrveranstaltung Studierende mit Beeinträchtigungen teilnehmen. Informieren Sie alle Studierenden zu Beginn des Semesters mit einer „Semestereinstiegsfolie“ über mögliche Beratungsangebote.
- Informieren Sie sich über das Verfahren „Nachteilsausgleich“ an Ihrer Hochschule. Die Beauftragten für Studierende mit Behinderung nach § 88 HmbHG stehen dafür gerne zur Verfügung.
- Falls sich Studierende an Sie wenden, motivieren Sie diese, ggf. einen Antrag auf Nachteilsausgleich zu stellen.
- Nutzen Sie die Informations- und Beratungsangebote Ihrer Hochschule, wenn Sie im Einzelfall Fragen zum Nachteilsausgleich haben oder ggf. ein Konflikt entstanden ist.